Inter­disziplinäre Immobilien­entwicklung

Die Ansprüche an Immobilien haben sich verändert. Digitalisierte Arbeitswelten, pluralistische Lebensstile, Onlinekonsum, Individualismus, Urbanisierung sind wesentliche, aber nicht alle Herausforderungen, die heute bei der Immobilienentwicklung zu berücksichtigen sind. Die Veränderungen betreffen meist direkt den Erfolg der Nutzer der Immobilien und damit indirekt den Cashflow der Immobilieninvestoren. 

Die frühzeitige Einbeziehung der spezifischen Nutzungs- und Marktanforderungen in den Prozess der Immobilienentwicklung und der Planung ist daher zwingend. Interdisziplinäre Konzeption und Planung verlangt nicht nur den sauberen Prozess der einzelnen Fachplanungsdisziplinen zu organisieren, sondern diese auf die späteren Anforderungen der Nutzer auszurichten.

Multifunktional

Die Marktanforderungen unterliegen einem stetigen Wandel. Während vor einigen Jahren monofunktionale Immobilien die bevorzugte Anlageklasse darstellten, sind es heute zunehmend multifunktionale Immobilien mit verschiedenen Nutzungsthemen in einem Gebäude. Die hybriden Nutzerstrukturen machen die Aufgaben, die an die Projektleitung gestellt werden, entsprechend vielschichtig.

Stadtplanungstechnisch wird gefordert, vorhandene Stadträume und Straßenzüge nachzuverdichten. Monostrukturen sind auf urbane Weise durch vielschichtige Nutzungsansiedlungen zu durchmischen. Die Konversion innerstädtischer Areale und das Re-Development von Bestandsimmobilien sind in den Fokus der Immobilienentwicklung gerückt. 

Die Macht der Räume und deren Einfluss auf die Ergebnisse der Nutzer wird oft unterschätzt. Räume beeinflussen die Leistung der Mitarbeiter und damit die Produktivität der Unternehmen. Craig Knight von der britischen Universität von Exeter zufolge müssen Büros multifunktionaler werden, damit die Mitarbeiter sich wohl fühlen und mehr leisten. Die Arbeitswelten sind den Megatrends der Globalisierung und des digitalen Wandels unterworfen. Die Arbeitsweisen werden immer flexibler, autonomer und vernetzter. Die Mitarbeiter arbeiten nicht nur im Büro, sondern auch von unterwegs und zuhause und treffen sich zur Besprechung auch einfach mal online. Stefan Rief vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation leitet daraus die Notwendigkeit ab, Bürolandschaften intelligenter zu gestalten. Sie müssen heute alles gleichzeitig erfüllen. Für Mitarbeiter der Platz sein, an dem sie sich konzentrieren können, einen Ruhepol darstellen und Meetingpoint zum Treffen von Kollegen und zum durchführen von Geschäftsterminen. Idealerweise sind Bürotypen daher zu durchmischen, mit Einzel- und Teambüros. Ein Campus z.B. erfüllt die Anforderungen an konzentriertes Arbeiten, individuellem Lernen, gemeinsamem Diskutieren nebeneinander und eignet sich von daher als Leitbild künftiger Planungen, da hier die zeitgemäßen Nutzerbedürfnisse Berücksichtigung finden. Das Leitbild muss dabei immer mit der individuellen Anforderung des Unternehmens abgeglichen werden, das im konkreten Fall die Flächen nutzen wird. Interdisziplinäre Immobilienentwicklung verlangt daher eine spezifische Durchleuchtung der individuellen Betriebs- und Organisationsprozesse und den Weitblick, wie im speziellen Fall das Büro der Zukunft sein muss.

Im Einzelhandel ist Multifunktionalität ebenfalls eine Aufgabenstellung. Der Einzelhandel leistet einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung der Menschen. Die Städteplaner fordern, den Einzelhandel wieder in die Zentren der Städte zu lenken. Die monofunktional ausgerichteten Gebäudetypen der Handelsunternehmen finden dabei kaum noch Zuspruch, wenn es um die Integration in das Umfeld geht. Eingeschossigkeit, Rückseiten, Anlieferverkehr und großzügige Kundenparkplätze hinterlassen Lücken in den stadträumlichen Zusammenhängen. Andererseits bieten die bestehenden eingeschossigen Handelsgebäude chancenträchtige Räume zur Nachverdichtung und Durchmischung mit anderen Nutzungsformen, wie z.B. Wohnen. Dadurch entstehen riesige Wertsteigerungspotenziale für die Immobilieneigentümer. Die Herausforderung besteht darin die neu zu schaffenden Nutzungsformen interdisziplinär mit der vorhandenen Gebäudenutzung zu verbinden. 

Bei der Entwicklung und dem späteren Betrieb von Einzelhandelsimmobilien müssen Funktionen, Abläufe und Kundenbedürfnisse genauestens durchdacht werden. Dieses mit den Interessen, Ansprüchen und Forderungen z.B. von Wohnungsnutzer und -eigentümer in Einklang zu bringen erfordert es, beide Perspektiven genauestens zu kennen und miteinander zu verzahnen, um widersprüchliche Standortanforderungen zum gemeinsamen Nutzen zu bringen. 

Viele Themenbereiche sind hier zu untersuchen. Wie können nachfrageorientierte Verkaufsflächen geschaffen werden? Ein innerstädtischer Verbrauchermarkt benötigt beispielsweise 1.500 bis 2.000 qm Verkaufsfläche zzgl. Nebenflächen, ein Discounter 800 bis 1.000 qm, ein Drogeriemarkt 600 bis 800 qm ein Biomarkt 400 bis 600 qm und ein Reformhaus 200 qm. Diese Verkaufsflächenanforderungen ändern sich erfahrungsgemäß im Zeitverlauf, da sich die Handelsformate selbst immer wieder neu auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen müssen. Wie kann daher bei einem multifunktional genutzten Gebäude die Flexibilität für die Handelsverkaufsflächen gewährleistet bleiben? Die absolute Größe der Verkaufsflächen bleibt i.d.R. in den Außengrenzen unflexibel. Die spätere Trennung oder Verbindung von Verkaufsflächen ist hingegen bereits im Planungsprozess zu durchdenken. Die Räume müssen möglichst rechteckig und weitestgehend stützenfrei sein, um Freiräume in der Flächenaufteilung zu erhalten. Die Lage und Anordnung der Erschließungsflächen, Treppenhäuser und Fluchtwege darf nicht zwischen zwei Handelsflächen liegen. Die Erschließung der über den Handelsflächen liegenden Wohngeschosse ist repräsentativ, aber für den Handel unstörend, zu planen. Das bezieht sich auf die Berücksichtigung der Kundenverkehre genauso wie auf die Ver- und Entsorgungsverkehre. 

Einzelhandel braucht Sichtbarkeit und Werbewirksamkeit. Filialisierte Handelsformate haben eine Corporate Identity, bei der auch die Farbgebung und Materialwahl einbezogen sind. Das Firmenlogo soll auf prominenten Stellen erscheinen und im dunkeln leuchten, damit es auch aus der Ferne gut zu sehen ist und eine Orientierung bietet. Die neue Wohnadresse hingegen empfindet dies alles als störend und sieht darin Abschläge im Eigentumswert und der Nutzerqualität der Menschen, die im Haus leben. Selbst die Nachbarschaft stört sich oft an den Anforderungen der Handelsbetriebe. Die Verfügbarkeit und gemeinsame Nutzung von Parkplätzen ist ebenfalls ein Themenbereich, der komplex ist. Die Perspektiven der verschiedenen Nutzungsformen sind folglich konträr und müssen bereits im Entwicklungs- und Planungsprozess zu einem kooperativen Konsens zusammengeführt werden. Ansatzpunkte lassen sich finden. Beide Nutzungsformen streben danach, Betriebskosten zu senken. Die Aufenthaltsqualität ist ebenfalls ein gemeinsames Ziel, genauso wie die einladenden Eingangssituationen, um ein paar Beispiele zu nennen.

Interdisziplinäre Immobilienentwicklung bedeutet nicht zuletzt die Anforderungen der Immobilieninvestoren an langfristige Vermietbarkeit, Finanzierbarkeit, Wertzuwachs, Weiterveräußerung und Aufwertung der Lagequalität zu erfüllen. Auch hier können abweichende Perspektiven zu der individuellen Ausgangslage einzelner Nutzungsformen vorliegen. Die Lösungspotenziale liegen dort, wo sowohl die Nutzer als auch die Investoren ihre spezifischen Interessen erfüllen können, um ein gemeinsam besseres Ergebnis zu erzielen.

Die Berücksichtigung der individuellen Interessen, sowohl der unterschiedlichen Nutzer als auch der Investoren, machen es dann sogar einfacher, ebenfalls die Stadtplanung zu überzeugen und Zustimmung zu erhalten. Nicht zuletzt sind die verschiedenen Nutzer Teil der Gemeinschaft um deren Belange sich die Stadtplanung kümmert. Die Perspektiven werden auch hier zu Beginn der Diskussion auseinanderliegen. Die Forderung der Stadtplanung bedeutet meist, das Projekt in die Umgebung einzufügen und dabei den Bestand zu respektieren. Zu dem öffentlichen Raum ist ein Bezug herzustellen, insbesondere Rückseiten sind zu vermeiden. Urbanität zielt darauf ab, einzelne Nutzungsformen zu verknüpfen. Die Erreichbarkeit verlangt in erster Linie eine attraktive fußläufige Zuwegung. PKW-Verkehr ist für die Gemeinschaft störend, für den einzelnen Bewohner oder Kunden hingegen elementar. Das Maß, die Stellplätze zu begrenzen, lässt sich mit Mehrfachnutzungen einzelner Parkplätze, flächensparenden Stellplatzlösungen, stärkerer Berücksichtigung der Fahrradzuwegung und Fahrradabstellmöglichkeiten sowie ökologischen Ausgleichsmaßnahmen, wie z.B. großzügige und klimafördernde Begrünungen, in einen größeren Kontext bringen und damit zielführender lösen.

Integral

Die Einbeziehung der Nutzer in den Entwicklungs- und Planungsprozess konkretisiert die Planungsvorgaben. Diese Rückkopplung der Nutzungsanforderungen in den Planungsprozess unterstützt die Kreativität und Innovationskraft im Planungsteam auf praktische Weise und fördert somit die Erreichung der Ziele des Projektinitiators. Interdisziplinäre Immobilienentwicklung setzt auf Kooperation. Das Gesamtkonzept hat bauliche und technische Gewerke, die es zu verzahnen gilt. Das Planungsteam mit all seinen Beteiligten muss in diese kooperative Denkweise passen. Nur wenn Architektur, Haustechnik, Statik und die anderen Planungsdisziplinen ihre Schnittstellen beherrschen und kompatibel zusammenarbeiten, lässt sich das Projekt integral entwickeln und perspektivisch aus den unterschiedlichen Sichtweisen des Projektinitiators, Nutzers oder Stakeholders über den gesamten Immobilienlebenszyklus optimieren. Im optimalen Fall verkürzt dies die Planungszeit, verbessert die Planungsqualität und reduziert Investitions- und spätere Betriebskosten.

Perspektivloesung bietet Ihnen die Interim-Projektleitung für Ihr Projekt insgesamt und auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten an. Wir kennen insbesondere die aktuellen Anforderungen der Handelsbetriebe, verfügen über Kontakte zu den handelnden Akteuren und bringen dadurch die Voraussetzungen zur Einbeziehung von Nutzeranforderungen bei unseren Aufträgen ein. Rückfragen und weitere Einzelheiten jederzeit gerne per Mail: info@perspektivloesung.de oder Telefon: 06403-9696994.

Quellen:

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltkommunikation (Hrsg.): Multifunktionale Geschäftsgebäude. Einzelhandel in urbaner Mischung und Dichte. 2016. http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtentwicklungsplanung/download/zentren/geschaeftsgebaeude_online-broschuere_2016.pdf 

Niederstedt, Jenny: Motivation. Wie das Büro unsere Leistung beeinflusst. In Wirtschaftswoche online 2015. https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/motivation-wie-das-buero-unsere-leistung-beeinflusst/11965570.html 

Bundy, Klaus: Nutzen der integralen Planung. https://www.integrale-planung.net/nutzen-der-integralen-planung_1592?p=1 

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